Die Rettungskarte – wenn jede Sekunde zählt
13.12.2017Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit genügt, um in einen Verkehrsunfall verwickelt zu werden. Besonders in schweren Fällen zählt nun jede Sekunde. Moderne Fahrzeuge mit zahlreichen Sicherheitsmechanismen erhöhen zwar die Chance, einen schweren Autounfall zu überleben, gleichzeitig erschweren sie jedoch die Arbeit der Rettungskräfte. Beispielsweise verhindern Stromleitungen, Airbag-Patronen und vorgespannte Federn ein Aufschneiden oder Aufspreizen des Unfallwagens an beliebiger Stelle.
An dieser Stelle kommt die sogenannte Rettungskarte ins Spiel. Sie hebt übersichtlich hervor, an welchen Stellen Ihr Fahrzeug bedenkenlos geöffnet werden kann. Wie Sie eine Rettungskarte erhalten und welche Vorteile diese im Einzelnen mit sich bringt, erfahren Sie weiter unten im Artikel.
Die Rettungskarte ist das Ergebnis einer gemeinsamen Initiative des Verbands der Automobilindustrie e. V.(VDA), großen Autoherstellern und Automobilclubs. Es handelt sich um ein grafisch aufbereitetes Rettungsdatenblatt im DIN A4-Format, das Ihr Fahrzeug sowohl von oben als auch von der Seite zeigt. Farblich markiert sind sämtliche technische Einrichtungen, die für Rettungskräfte beim Öffnen von Fahrzeugen relevant sind. Hierzu zählen Airbags, Karosserieverstärkungen, Niedervolt-Batterien, SRS-Steuergeräte, Gasgeneratoren, Gasdruckdämpfer, vorgespannte Federn, Treibstofftanks und Gurtstraffer. Bei Hybrid- und Elektroautos sind zusätzlich Hochvolt-Batterien, Hochvolt-Kabel und -Komponenten sowie Hochvolt-Trennstellen verzeichnet.
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Welche Vorteile und Ziele hat die Rettungskarte?
Unfälle verlaufen glimpflicher als früher. Deutschland verzeichnet glücklicherweise immer weniger Unfalltote. Rettungskräfte und ein Notarzt sind meist zügig vor Ort, um Verletzte zu bergen und zu versorgen.? Die Kehrseite: Autohersteller entwickeln seit vielen Jahren immer mehr unterschiedliche Modelle mit jeweils abweichender Konstruktion und Ausstattung. Dieses Spektrum an Varianten erschwert den Einsatz von Hilfsmitteln wie der Rettungsschere enorm. Feuerwehrleute müssen so zunächst sicherstellen, keine kritischen Bauteile zu beschädigen. Zerstört das Schneidewerkzeug etwa einen Gasgenerator oder eine Stromleitung, können die Folgen fatal sein.
Ist hingegen eine Rettungskarte im Fahrzeug vorhanden, erkennen die Einsatzkräfte direkt, wie sie vorgehen müssen, um eine schnelle Bergung zu gewährleisten. Dies spart Zeit, die im Zweifelsfall über Leben und Tod entscheidet. Bis eine flächendeckende elektronische Datenübermittlung vom verunglückten Auto zu den Rettungskräften möglich ist, leistet die Rettungskarte einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit.
Typische Unfallsituationen
Wie sich die Vorteile einer Rettungskarte im konkreten Fall äußern, wird am besten an Beispielen deutlich. Die folgenden Darstellungen sind erfunden, bilden gleichzeitig realistische Unfallsituationen ab.
➤ Mutter und Tochter unverschuldet in Not
Claudia ist mit ihrer 5-jährigen Tochter Lina auf dem Weg zum Kindergarten. Sie leben abgelegen, in einem kleinen Dorf und müssen eine recht weite Strecke über mehrere Landstraßen zurücklegen. Das Elektroauto mit dem sie unterwegs sind, ein Neuwagen, ist mit den neuesten Sicherheitsstandards ausgestattet. Es ist Herbst, Laub liegt auf den Straßen und ein zäher Nebel verdeckt die Sicht. Doch Claudia fühlt sich sicher.
Während sie dann ein Waldstück durchfahren, springt ein Reh vor Claudias rotes Auto. Sie erschreckt sich, reißt das Lenkrad ruckartig nach links, kommt von der Fahrbahn ab und prallt gegen einen Baum. Nach Sekunden der Stille realisiert die junge Mutter, was geschehen ist. Ihr Blick fällt sofort auf Ihre Tochter. Das kleine Mädchen hat eine Platzwunde erlitten und reagiert kaum auf Claudias Worte. Die Türen des Fahrzeugs lassen sich nicht öffnen. Die Mutter wählt sofort den Notruf. Denn auf der leeren Landstraße ist keine Hilfe in Sicht.
Einige Minuten vergehen, dann sind die Rettungskräfte zur Stelle. Der Zustand von Lina scheint sich aber zu verschlechtern. Der Aufkleber zur mitgeführten Rettungskarte wird schnell gesichtet. So ist die Feuerwehr binnen kürzester Zeit in der Lage, das Auto mit der Rettungsschere an einer unbedenklichen Stelle zu öffnen. Das verletzte Kind wird geborgen und an Ort und Stelle versorgt. Im Krankenhaus stellt sich heraus, dass Lina schwere Kopfverletzungen erlitten hat, die aber dank des schnellen Handelns keine bleibenden Schäden verursacht haben.
➤ Testfahrt auf der Autobahn
Ben hat vor zwei Wochen endlich seinen Führerschein erworben. Auf sein erstes Auto, einen gebrauchten Audi A3 mit immerhin 140 PS, ist er überaus stolz. Er beschließt, seine Fahrkünste auf der Autobahn zu testen und die Endgeschwindigkeit seines Wagens auszureizen. Erlerntes aus der Fahrschule, der notwendige Sicherheitsabstand etwa, scheint vollkommen vergessen. Bei zu hoher Geschwindigkeit beginnt Ben, ein Video mit dem Smartphone zu drehen. Das will er später seinen Freunden präsentieren. Wenige Augenblicke genügen und er übersieht, dass die Fahrzeuge vor ihm stark abbremsen. Ein Stau ist entstanden und Ben rast fast ungebremst in das Stauende.
Scheiben bersten, Airbags öffnen sich. Der junge Fahranfänger hat schwere Verletzungen im Brustbereich und an der Wirbelsäule erlitten. Er ist bewusstlos. Zeugen des Unfalls nähern sich seinem Fahrzeug und erkennen, dass er Hilfe braucht.
Eine der Türen lässt sich öffnen, doch andere deformierte Fahrzeugteile haben Ben eingeklemmt und er kann nicht befreit werden. Den Ersthelfern ist klar, dass hier sofortiger Einsatz erforderlich ist. Glücklicherweise bilden die Autofahrer hinter der Unfallstelle eine vorbildliche Rettungsgasse, sodass die Einsatzkräfte schnell vor Ort sind. Sie erkennen den Aufkleber „Rettungskarte im Fahrzeug“, entnehmen das Datenblatt und sind damit in der Lage, ihre Werkzeuge so einzusetzen, dass die Gasdruckanlage der Airbags und der Gurtstraffer nicht versehentlich ausgelöst werden.
Die Bergung verläuft ohne Komplikationen, welche Bens Zustand möglicherweise weiter verschlechtert oder gar die Rettungskräfte gefährdet hätten. Nach einem langen Krankenhausaufenthalt ist der Führerscheinneuling heute wieder vollständig gesund.
Wo ist die Rettungskarte erhältlich?
Die Rettungskarte ist mittlerweile auf den Webseiten aller Hersteller und Importeure als kostenloser Download verfügbar. Zudem bietet beispielsweise der ADAC eine Übersicht der meisten Fahrzeugtypen an, für die das Datenblatt erhältlich ist. Sie müssen die jeweilige Rettungskarte nach dem Herunterladen lediglich farbig ausdrucken und im Auto platzieren.
Wo wird die Karte aufbewahrt?
Rettungskräfte haben international eine klare Anweisung: Eine Rettungskarte befindet sich immer hinter der Sonnenblende auf der Fahrerseite. Falten Sie die bedruckte Seite nach innen, um ein Ausbleichen zu vermeiden. Zusätzlich ist es sinnvoll, einen Aufkleber mit der Aufschrift „Rettungskarte im Fahrzeug“ am linken oberen oder unteren Rand der Windschutzscheibe anzubringen. Der Aufkleber ist unter anderem beim ADAC oder bei der DEKRA erhältlich. Natürlich können Sie diesen auch auf selbstklebender Folie ausdrucken. Doch beachten Sie hier, dass sie spiegelverkehrt drucken und der Aufdruck nicht verwischt.
Was ist eine „Safetybag“?
Es handelt sich hierbei um eine selbsthaftende Tasche, die an den Innenseiten von Fahrzeugscheiben befestigt wird. Die Rettungskarte hinter der Fahrersonnenblende zu platzieren, wird als gängige, aber nicht als optimale Lösung angesehen. So verfügen beispielsweise nur 50 Prozent aller Fahrzeuge über eine geeignete Lasche in der Blende. Ist die Frontscheibe nach einem Verkehrsunfall noch intakt, muss sie von den Helfern zerschlagen oder zersägt werden, um an die Rettungskarte zu gelangen. Diese und weitere Kritikpunkte führten zur Entwicklung der speziellen Rettungskartentasche „Safetybag“.
Empfohlen wird das Anbringen der Tasche hinter der Feinstaubplakette. In der Safetybag können weitere Dokumente, wie eine persönliche Datenkarte für den Notarzt, ein Organspendeausweis, ein Merkblatt für Erste-Hilfe-Maßnahmen oder wichtige Notfallnummern aufbewahrt werden.
Ob eine Safetybag sinnvoll ist, wird unterschiedlich bewertet: Der ADAC betont, dass in mehr als 90 Prozent der Fälle die Sonnenblende auf der Fahrerseite der beste Aufbewahrungsort für die Rettungskarte ist. Dies hätten unter anderem Crashtests ergeben. Zudem seien die Rettungskräfte international angewiesen, hinter der Sonnenblende nachzusehen. Für die Rettungskartentasche spricht hingegen, dass mehrere wichtige Dokumente zusammen verstaut werden können.
Tipp: Auch eine Rettungskartentasche lässt sich selber herstellen. Sie benötigen lediglich eine durchsichtige CD-Schutzhülle oder eine Kartenhülle aus Plastik oder Folie, die Sie an der Windschutzscheibe anbringen können.
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