Kommt die Autobahn-Privatisierung?
17.11.2016Es gibt bereits Autobahnabschnitte, deren Bau und Betrieb nicht mit Geld aus der Staatskasse, sondern von privater Hand finanziert wurden. Bisher übernimmt der Staat die Kosten für die Autobahnen, während sich die Länder um das Planen und Bauen kümmern. Das soll sich jedoch laut der Bundesregierung, insbesondere der CDU ändern. Denn schon länger steht die Überlegung im Raum, das deutsche Autobahnnetz zu privatisieren. Finanzminister Wolfgang Schäuble sprach von einer Teilprivatisierung, durch die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft mit einer Beteiligung privater Investoren. Genauere Informationen über die Pläne, die Standpunkte anderer Parteien und die aktuelle Lage erhalten Sie im folgenden Artikel.
Parteien sind sich uneinig
Die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft wäre ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen, in dessen Besitz sich die Autobahnen befinden würden. Sie solle mehr Effizienz bei der Planung und dem Bau von Autobahnen schaffen. Finanziert werden könne die Gesellschaft laut Schäuble unter anderem durch private Investoren. Mit einem Anteil von 50,1 Prozent solle der Bund jedoch die Mehrheit inne haben. Schäubles Vorschlag erntete allerdings viel Kritik. Es herrscht große Uneinigkeit innerhalb der großen Koalition.
Stimmen gegen die Autobahn-Privatisierung
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) setzt sich dafür ein, dass die Autobahnen unveräußerlich im Besitz des Bundes bleiben. Bund und Länder hatten sich schon Mitte Oktober auf den Beschluss einer Gesellschaft verständigt. Allerdings nur unter der Vorgabe, dass die Autobahnen Eigentum des Bundes bleiben und diese Tatsache im Grundgesetz festgeschrieben werden muss. Trotzdem ist noch unklar, inwieweit die Infrastrukturgesellschaft schlussendlich dem Bund gehören würde. Die SPD stellt klar, dass das Vorhaben von Schäuble so nicht realisiert werden könne, da im Bundestag für die Pläne die Mehrheit fehle. Nur wenn das unveräußerliche Eigentum des Bundes auch für die Gesellschaft gelten würde, könne eine Änderung des Grundgesetzes erfolgen. Gespräche in der Bundesregierung laufen. Fest steht aber, dass es eine Grundgesetzänderung ohne die Zustimmung der SPD nicht geben wird.
Zahlt der Autofahrer nach der Autobahn-Privatisierung?
Für Banken und Versicherungen würde eine Beteiligung an der Gesellschaft bedeuten, dass sie einen besseren Einblick in die Infrastruktur-Projekte bekommen. Zudem erhoffen sich die Finanzinstitute durch eine langfristige Kapitalanlage in der Gesellschaft eine sichere Rendite. Das könnte mit sich bringen, dass Autofahrer zur Einnahmequelle werden, z.B. durch eine Maut. Die Grünen steuern entschieden dagegen, da ihrer Meinung nach Autobahnen nicht als gewinnorientiertes Anlageobjekt für Finanzinstitute dienen dürfen.
Auch der Bundesrechnungshof steht dem Vorhaben skeptisch gegenüber. Die unabhängige Finanzkontrolle des Bundes sieht privates Kapital für die Infrastrukturgesellschaft nur dann vor, wenn es sich wirtschaftlich lohnt und den Steuerzahlern nicht noch mehr aufgebürdet wird. Das wiederum könne zum Nachteil für die Finanzinstitute werden, da die erhoffte Rendite dann geringer ausfällt.
In Frankreich wurden bis 2006 große Abschnitte von Autobahnen auf private Investoren transferiert. Dort liegt die Rendite zwischen 20 und 24 Prozent. Bei einer Maut von 100 Euro, fließen damit etwa 22 Euro als Gewinn an die privaten Investoren. Es wurde zwar überlegt, den Betrieb der Autobahnen wieder in staatliche Hände zu übertragen, allerdings wäre die Wiederherstellung des alten System für das Land zu teuer.
[poll id="28"]
Privatisierung bringt Mehrkosten statt Ersparnis
Die Bundesregierung und Wirtschaftsexperten bemängeln, dass zu wenig Geld in das deutsche Straßennetz fließt und dass sich das mit Geldern aus privater Hand ändern könnte. In Deutschland herrsche ein geschätzter Investitionsstau von bis zu 100 Milliarden Euro. Daher besteht die Hoffnung, dass private Investoren effizienter wirtschaften. In der Realität sieht es aber laut den Rechnungshöfen anders aus. Eine Untersuchung hat ergeben, dass private Unternehmen bei Projekten Öffentlich-Privater-Partnerschaften (ÖPP) häufig nicht die günstigsten Lösungen gefunden haben.
Außerdem würden von einer Autobahn-Privatisierung hautsächlich die großen Baukonzerne profitieren. Die Befürchtung sei auch, dass Unternehmen eher in Projekte investieren, mit denen sie den höchsten Gewinn erzielen. Für alle anderen Vorhaben müsse der Staat aufkommen.
Noch ist nichts entschieden! Auch ein Gesetzentwurf für die Infrastrukturgesellschaft liegt noch nicht vor. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Lage entwickelt. Fest steht, dass im Wahljahr 2017 der Bundestag und Bundesrat das Gründungsgesetz für die Gesellschaft und eine Änderung des Grundgesetzes genehmigen müsste.
Bewerten Sie den Artikel oder hinterlassen Sie uns einen Kommentar. Wir freuen uns auf Ihre Meinung!
[ratings]
[twoclick_buttons]