Larissas Freiwilligenjahr in Costa Rica (Teil 4)

Maedchen der Ngaebe am Fluss

Flusswasser dient den Ngäbe als Trinkwasser, zum Baden und Wäsche waschen

Der Fluss rauscht, die Vögel singen, die helle Sonne lässt die Wasseroberfläche glitzern. Die Bäume am Ufer geben den Pferden ein wenig Schatten. Neben mir kreischen und lachen die spielenden Kinder im Wasser. Die älteren Geschwister baden sich und waschen ihre langen schwarzen Haare. Zu meiner linken Seite sitzt meine Gastmutter auf einem Stein am Ufer und wäscht mit ihrer Tochter die dreckigen Kleidungsstücke. Ich schaue ihr zu wie sie das Kleid in das Wasser eintaucht und anschließend mehrmals auf einen Stein schlägt.

Leider ging letzte Woche das Waschpulver aus, sodass wir die Wäsche nur noch mit dem Flusswasser säubern können. Ich beobachte sie und mache ihre Bewegungen nach. Ein paar Meter vor mir sehe ich drei dicke dreckige Schweine den Fluss durchqueren. Die Kinder ahmen das Grunzen der Schweine nach und tauchen in das selbe dreckige Wasser ab, in dem wir die Kleidung waschen, uns selbst waschen und auch die Tiere ein Bad nehmen. So ist das Leben hier. Hier hält das Leben andere Regeln bereit.

Im Reservat der Ngäbe

Kochen in der Huette

Kochen, Schlafen, Essen – Das ganze Leben auf engstem Raum

Ich befinde mich nun seit einem Monat im Süden Costa Ricas und lebe mit Indigenen des Stammes Ngäbe zusammen. Das Leben, die Kultur, die Menschen sind anders. Es gibt keine befahrbaren Wege, sodass man nur mit Pferd oder zu Fuß von A nach B, über Berge, durch Flüsse kommt. Es gibt keine Elektrizität. Man kocht über dem Feuer. Es gibt keinen Fernseher. Man steht um 5 Uhr mit der Sonne auf und schläft mit Anbruch der Dunkelheit ein. Manchmal essen wir im Mond- und Kerzenlicht zu Abend. Essen reicht nicht immer für alle aus, sodass wir nachmittags auf Bäume hoch klettern und uns ein paar Früchte suchen. Allgemein werden fast jeden Tag Reis, Kochbananen (Platanos) und Tortillas gegessen.

In der Holzhütte, in der ich mit meinen Gasteltern und deren sieben Kindern schlafe, gibt es keine Betten. Weder Bettgestell, Matratzen, noch Kissen gibt es hier. Wir schlafen einfach auf dem Holzboden. In der Nacht wird es so kalt, dass wir uns mit Kleidungsstücken zudecken. Morgens, wenn wir wach werden, springt jeder erstmal kurz in das kalte Wasser des Flusses, um sich zu waschen und wirklich wach zu werden.

Quell des Lebens – Wasser

Wenn es viel regnet, kann man sich auch mit aufgefangenem Wasser duschen. Wasser ist so eine lebenswichtige Ressource. In Deutschland vergisst man oft, dass Wasser nicht selbstverständlich ist. Man dreht einfach den Wasserhahn auf und schon hat man sauberes, fließendes Wasser. Wenn mal kein Wasser aus dem Wasserhahn kommt, dann ruft man jemanden an, der es innerhalb weniger Stunden repariert.

Wenn es hier kein Wasser gibt, dann gibt es eben kein Wasser. Wenn es nach mehr als zwei Tagen immer noch kein Wasser gibt, dann werden die Kinder mit Eimern in die Berge geschickt um nach Wasserquellen zu suchen. Auch wenn das Wasser recht sauber aussieht, enthält es irgendwelche Bakterien, die mich in der ersten Woche krank machten. Ich behielt nichts mehr in mir und nahm schnell ein paar Kilo ab. Mein Gastvater bereitete mir einen Tee aus der Rinde eines Guyaba-Baumes zu, woraufhin ich in weniger als vier Stunden wieder topfit war. Seitdem koche ich das Wasser immer ab und mittlerweile vertrage ich schon geringe Mengen des lokalen Wassers.

Die Freundlichkeit und harmonische Art der Ngäbe

Ein Laechelnder Junge der Ngaebe

Freundlichkeit und Harmonie im Reservat

Meine Gastfamilie ist sehr lieb zu mir und ich fühle mich wirklich wohl bei ihnen. Ich finde, dass die Indigenen eine viel ausgeglichenere Art und Weise haben und mehr in sich ruhen. Kein Wunder: Zeit existiert nicht. Immer wenn ich jemanden frage, wie viel Uhr wir haben, kann mir niemand eine Antwort geben. Die Zeit interessiert hier auch einfach nicht. Sobald mehr oder weniger alle Kinder in der Schule eintreffen, fängt der Unterricht an. Die meisten Erwachsenen arbeiten ohne feste Arbeitszeiten im Haus oder in der Agrikultur. Man isst auch nicht wie in Deutschland typischerweise um 12 Uhr zu Mittag, sondern dann wenn man Hunger hat und gerade etwas da ist.

Das Leben in der Gemeinde

In der Gemeinde leben 135 Indigene, von denen ein paar mit mir im Zentrum wohnen und die anderen Familien wohnen verstreut in den Bergen. Die Menschen sind alle so herzlich und liebenswert. Etwa nur noch die Hälfte der Einwohner Las Vegas spricht die indigenen Sprache Ngäbere. Vor allem in den jüngeren Generationen geht die Sprache leider vollkommen verloren. Ich bin gerade dabei die Muttersprache der alten Indigenen zu lernen, aber die Laute sind wirklich schwer zu erlernen. Buenos días, also Guten Morgen heißt „Kobo kuin deke“ und „Ich esse eine Banane“ bedeutet „Ti mröre baran“. Fast nur noch die ältere Generation weiß, wie man Artesanías (selbstgemachtes Kunsthandwerk), Armbänder, Hängematten, Kleider, Chacaras (Hegeltaschen), Sombreros und musikalische Instrumente herstellt. Sehr viele Frauen und Mädchen tragen im normalen Alltag ihre traditionellen Kleider.

Ich finde das Leben der Indigenen sehr idyllisch und friedvoll. Positiv fällt mir vor allem die Erziehung auf! Ich habe noch kein einziges Mal gesehen, wie Eltern gewalttätig wurden. Weder ihren Kindern, noch den Tieren gegenüber. Die Kinder benehmen sich sehr gut und wissen andere Lebewesen und die Natur zu schätzen. Die Kinder spielen den ganzen Tag draußen im Wald und haben schon in ihrem jungen Alter ein unglaubliches Wissen über die Natur.

Gleichberechtigung vs. Machismo

Zudem konnte ich beobachten, dass im indigenen Dorf kein Machismo existiert! Die Männer respektieren ihre Frauen und seit klein auf werden Mädchen und Jungen gleich berechtigt und nicht unterschiedlich erzogen. In meiner Gastfamilie bleibt der Vater meistens zuhause, um auf die kleinen Kinder aufzupassen, während die Mutter hart arbeitet. Und der Vater wird für seine Tätigkeiten als „Hausfrau“ nicht von den anderen Dorfbewohnern herabgewürdigt.

Kleines Ngaebe Maedchen

Kleines Mädchen der Ngäbe mit Machete

Glücklicherweise ist das kein Einzelfall, es gehen in den Familien sogar oft die Mütter in den Wald arbeiten. Wenn ich als Gringo (Ausländerin, auch: Amerikanerin) mit einem kurzen Kleid barfuß über die Wiesen laufe, lächeln mir die Leute einfach zu, ohne dass von den Kerlen respektlose Pfiffe und Rufe kommen, wie man es aus dem Rest des Landes gewöhnt ist. In den restlichen Regionen Costa Ricas, besonders in Guanacaste, sind die Männer extreme Machos und Gewaltanwendung gehört zur Tagesordnung. Hier bin ich wirklich von der Ehrlichkeit und liebevollen Art der Indigenen überrascht. Ich fühle mich trotz der vielen ärmlichen Zustände sehr wohl im indigenen Reservat und kann es kaum erwarten, die Hauptstadt nächste Woche zu verlassen und wieder ins Reservat Las Vegas zurückzukehren.

Schon die wenigen Wochen Zusammenleben mit den Indigenen haben mich sehr bereichert. Ich denke jetzt ganz anders über Dinge, die ich immer als selbstverständlich empfunden hatte. Man kann auch ohne jeglichen Luxus glücklich sein und ehrlich gesagt bevorzuge ich sogar ein bodenständigeres Leben. Wenn ich wie immer barfuß durch die Wälder laufe, fühle ich mich lebendig und vor allem frei. Wenn ich die Atmosphäre dort beschreiben sollte, kommen mir diese Worte in den Sinn: Friede, Ruhe, Natur, Liebe, Vertrauen und Freiheit!

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