Larissas Freiwilligenjahr in Costa Rica (Teil 3)

13.04.2017

Vor ein paar Wochen verließ ich den Monkey Park und wechselte zu meinem neuen vorübergehenden Projekt, dem „Korridor“. Hier mitten im Regenwald in der Nähe des Nationalparks Carara pflanzt die nicht-staatliche Organisation ARBOFILIA seit rund 30 Jahren einen ökologischen Korridor. Das Ziel ist es, den Carara-Nationalpark und die Potenciana-Bergkette miteinander zu verbinden und so die hauptsächlichen Waldtypen des Landes, also Mangroven-, Laub-, Trocken- und Regenwälder sowie Nebelwälder miteinander zu verbinden.

Der Korridor

Dies ermöglicht es, dass Tiere gefahrlos zwischen den verschiedenen Ökosystemen passieren können und trägt so entscheidend zum Erhalt der Artenvielfalt bei. Das Gebiet weist eine unglaubliche Biodiversität auf, da sich innerhalb dieses  kurzen Abschnitts von weniger als 20 Kilometern die verschiedensten Waldtypen befinden. Obwohl sie noch nicht intensiv erforscht wurden, könnten die Nebelwälder der Potenciana-Bergkette die Heimat einzigartiger Tier- und Pflanzenarten sein, da sie nicht mit anderen Nebelwaldsystemen verbunden sind. Es gibt noch einen weiteren Grund für die außergewöhnliche Artenvielfalt des Korridors: Arten der nördlichen und südlichen Hemisphäre leben hier zusammen. Zu diesem Zweck kauft ARBOFILIA zahlreiche Landstücke und forstet sie auf. Das heißt sie werden mit vielen verschiedenen einheimischen Baumarten bepflanzt und gepflegt.

Für mich ist der Korridor ein ganz besonderer Ort - es ist schwer zu erklären, wenn man sachlich bleiben möchte. Alleine die Atmosphäre hier hat etwas Magisches. Man lebt mitten im Regenwald zwischen den großen Bäumen, zwischen all dem Grün. Jeder Millimeter Erde ist belebt mit zahlreichen Pflanzen und interessanten Tierchen. Es gibt hier alles nur in Extremen, beispielsweise Schlangen und andere Tiere, die extrem giftig sind; Bäume mit großen Stacheln am Stamm und Tausendfüßler, die tausend mal größer sind als die Gewöhnlichen aus Deutschland.

Nach getaner Arbeit sorgt der Fluss für Spaß und Abkühlung

Am Hang unterhalb der Station schlängelt sich ein Fluss durch den Regenwald. Nach der harten Arbeit im Wald ist ein Bad im Fluss immer eine erfrischende Abkühlung und zudem ein spaßiges Vergnügen. Die Station, in der ich mit meinen drei Mitfreiwilligen wohne, besitzt keine Wände. Das zweistöckige Gebäude besteht aus Holzpfosten, einem Wellblechdach und Holztreppen. Es gibt sogar eine Dusche, die zur einen Seite komplett offen ist, sodass man mit einer ausgestreckten Hand die Pflanzen berühren kann. Abends schläft man mit der gemischten Geräuschkulisse vom Zirpen der Zikaden, dem Quaken der Frösche und das Plätschern des Flusses ein; morgens wird man von den ersten Sonnenstrahlen und dem Gezwitscher der Vögel geweckt. Dieses idyllische Leben in der Natur schenkt einem so viel Glück und Lebensenergie! Wir trinken Wasser aus einer Quelle und ernähren uns überwiegend von Gemüse, Obst, Reis und Bohnen.

Und obwohl es weder Empfang noch Internet gibt, wird uns nie langweilig! Morgens arbeiten wir mit der Machete im Wald, kümmern uns um die Pferde und die Pflanzen in der Vivero (Baumschule) oder halten die Station instand. Etwa um 12 Uhr mittags hören wir mit der Arbeit auf und nehmen ein kühles Bad im Fluss. Nach dem Mittagessen wird dann entweder gelesen, gezeichnet, irgendeinem Hobby nachgegangen oder einfach mit allen zusammen Karten gespielt. Nachmittags spielen wir fast täglich mit den Einheimischen Fußball im Dorf. Die Grundschule in dem kleinen Dörfchen von etwa 40 Bewohnern besteht aus insgesamt drei Grundschülern und einer Lehrerin. Nach dem Fußballspiel verweilen wir noch ein bisschen mit den Ticos (Costaricaner) in der Pulperia (sowas wie ein Kiosk) und machen uns dann im Dunkeln auf den Heimweg. Wir müssen immer immer immer eine Taschenlampe dabei haben, damit wir stets wachsam handeln können, wenn eine Schlange uns den Weg kreuzt.

Vor Schlangen müssen wir uns stets in Acht nehmen (giftige Terciopelo)

Wash your hands with soil!

An den Sonntagen unternehmen wir Ausflüge an Wasserfälle, wandern durch den Fluss und reiten mit den Pferden aus. Manchmal bekommen wir auch Gäste, die wir in unserer Station wohnen lassen und denen wir all die Schönheiten im Korridor zeigen. Freiwillig dürfen sie jederzeit mitarbeiten und uns bei der Aufforstung helfen. Miguel, unser Chef und Gründer von ARBOFILIA, benutzt ungern das Wort Touristen; für ihn und auch für uns sind alle Gäste Freunde, die sich als Teil der Korridor-Community fühlen dürfen. Jeder Mensch ist willkommen zu helfen und sich die Hände mit Erde schmutzig zu machen. Der Korridor ist ein Ort, an dem man viel innerlich verarbeitet und lernt. Das ausgewogene Leben führt zu einem inneren Gleichgewicht, sodass man mit einer belastenden Vergangenheit und negativen Gedanken abschließt. Im Frieden mit sich selbst und der Welt bemerkt man in einem stillen Moment, was für ein Glück man eigentlich hat. Für mich ist der Korridor ein Ort, an dem die Seele gereinigt und geheilt wird.

Der Korridor ist ein Ort zum Ruhe finden

Viele Menschen, die Stress und Druck erleiden oder von Problemen gequält werden, kommen hier her und fühlen sich schon nach einer Woche befreit und zufrieden. Der Moment der Befreiung kommt für jeden Einzelnen anders und in verschiedener Weise. Sei es der Moment, in dem man nach der Arbeit eine Kokosnuss mit der Machete aufschlägt und das süße Kokoswasser einem neue Kraft schenkt; oder der Moment, in dem man hinter dem Wasserfall eine Höhle entdeckt, die Ohren in das gleichmäßige entspannte Rauschen des Wassers eintaucht und von der Außenwelt überhaupt nichts mehr mitbekommt; oder der Moment, in dem es plötzlich stark anfängt zu regnen und man mit dem Pferd schnell unter das nächste Blätterdach galoppiert; oder der Moment, in dem man in der Station einfach nur in der Hängematte liegt, während man beobachtet wie die Bienen um ihren Stamm herum schwirren. Miguel sagt, dass Bienen Indikatoren für ein gesundes Ökosystem sind. In unserer Station hängen überall hohle Baumstämme, in denen verschiedene Bienenstämme wohnen. Diese Bienen stechen nicht und leben friedlich neben uns. Auch Frösche, Eidechsen und Spinnen sind recht nette Mitbewohner.

Nach einem halben Jahr in Costa Rica erscheint mir so vieles schon zu normal. Nicht jeder kann erzählen, dass er mal mitten im Regenwald gelebt hat und sich mit der Machete durch das grüne Dickicht geschlagen hat. Eigentlich dürfte ich keines meiner Erlebnisse hier als Normalität betrachten!

In einer Woche bringt mich Miguel zu einem indigenen Volk fernab von jeglicher Zivilisation. Dort soll ich alles dokumentieren und die ärmlichen Zustände verbessern. Was ich dort erlebe und was ich erreichen konnte, erfahrt ihr in meinem nächsten Bericht.

Eure Larissa

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