Diesel-Fahrverbot: Was kommt jetzt auf Autofahrer zu?

28.06.2017

Das Diesel-Fahrverbot soll kommen und Diesel-Fahrzeuge ohne Euro-6-Standards aus Städten verbannen.
Immer mehr Städte müssen handeln – werden Diesel-Kraftfahrzeuge wegen der Emissionswerte für Stickstoffoxid komplett verbannt?

Dieselfahrzeuge sind umweltfreundlich, da sie wenig verbrauchen und die EU-Grenzwerte einhalten. Dieser Meinung waren Millionen von Autofahrern in Deutschland, bis der VW-Abgas-Skandal ein völlig anderes Licht auf die Situation warf. Gleichzeitig wurde bekannt, dass insbesondere Großstädte seit Jahren die zulässigen Werte für die Schadstoffbelastung überschreiten. Nun wird offen über ein Diesel-Fahrverbot diskutiert, was viele Autobesitzer zornig macht. Kommt nun tatsächlich ein Diesel-Verbot oder gibt es Alternativen? Wir wagen einen Ausblick.

Welche generellen Pläne zur Emissionsreduktion gibt es?

Ein Diesel-Fahrverbot ist nur eine von mehreren Optionen, mit der eine Reduktion schädlicher Emissionen erreicht werden kann. Die Autoindustrie argumentiert etwa, dass die grüne Welle und ein besserer Verkehrsfluss den Stickoxid-Ausstoß bereits um ein Drittel senken könnten. Zusätzlich sollten Taxis und Busse im städtischen Verkehr durch moderne Fahrzeuge ersetzt werden, schlägt der VDA vor. Lkw sind bis auf wenige Ausnahme ohnehin schon aus deutschen Innenstädten verbannt worden.

Langfristig könnten emissionsfreie Fahrzeuge, darunter E-Autos oder Wasserstoff-Autos, eine Lösung darstellen. Die Bundesregierung fördert alternative Antriebe derzeit stark. Dennoch nimmt die Zahl entsprechender Fahrzeuge nicht ausreichend zu. Die Gründe liegen hautsächlich in zu geringen Reichweiten und einem mangelhaft ausgebauten Tankstellennetz.
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Warum ziehen immer mehr Städte ein Diesel-Verbot in Betracht?

In zahlreichen deutschen Städten herrscht schlechte Luft. Prominente Beispiele sind etwa Stuttgart und München. Insgesamt sind es jedoch mehr als 70 Kommunen, die dringend gegen die Überschreitung der EU-Grenzwerte bei Stickstoffoxid und Feinstaub vorgehen müssen. Gelingt dies nicht, drohen hohe Geldstrafen aus Brüssel. Ein Diesel-Fahrverbot erscheint vielen Beteiligten derzeit als einziges Mittel, Strafzahlungen kurzfristig zu umgehen.

Wie könnte ein Diesel-Fahrverbot in der Praxis aussehen?

Ein Diesel-Verbot scheint derzeit unumgänglich, denn der Handlungsbedarf ist akut. Vermutlich auch aufgrund der bevorstehenden Bundestagswahl kommen derzeit keine einheitlichen Handlungsvorgaben aus Berlin, weshalb Städte eigene Wege einschlagen möchten. Dies könnte zu einer Vielzahl verschiedener Ausnahmeregelungen führen, die für Autofahrer nur schwer zu durchschauen sind.

So wird in Stuttgart etwa darüber diskutiert, Diesel-Fahrzeuge mit einer Schadstoffklasse bis Euro 5 an Tagen mit Feinstaubalarm aus bestimmten Zonen auszusperren. Geplant ist dies ab 2018, wobei die Bevölkerung aktuell massiv protestiert. Hamburg hingegen hat konkrete Pläne für ein generelles Diesel-Fahrverbot, das etwa 70 Prozent der Dieselautos betreffen würde. Im Detail handelt es sich um ein Pkw-Durchfahrtsverbot für die viel befahrene Max-Brauer-Allee.

Weitere Städte, die Handlungsbedarf haben, sind unter anderem Aachen, Berlin, Bonn, Düsseldorf, Essen, Frankfurt a. M., Gelsenkirchen, Köln, Limburg, Mainz, München und Reutlingen.

Kommt ein flächendeckendes Diesel-Verbot?

Diesel-Fahrverbote wegen zu hoher Abgaswerte. Die Zukunft liegt in der Elektromobilität.
Elektrofahrzeuge stellen eine umweltfreundliche Alternative zu Diesel-Fahrzeugen dar. Die Tankstellennetze müssten allerdings ausgebaut werden.

Aus heutiger Sicht ist ein deutschlandweit gültiges Diesel-Verbot noch nicht vorstellbar. Vermutlich werden die Kommunen auch in Zukunft ihre Umweltzonen selbst festlegen. Fakt ist jedoch, dass Dieselmotoren zumindest im Pkw-Bereich bald Geschichte sein werden. Bereits jetzt bricht die Nachfrage nach gebrauchten Dieselfahrzeugen bis Euro 5 massiv ein. Zwar sind Neuwagen verfügbar, welche die Vorgaben der Abgasnorm Euro 6 (zumindest auf dem Papier) einhalten, doch auch hier sind Kunden wesentlich zurückhaltender und entscheiden sich im Zweifelsfall eher für einen Benziner.

Autobesitzer, die Ihren Euro-5-Diesel nicht mit drastischem Wertverlust verkaufen oder das Fahrzeug weiterhin nutzen möchten, können möglicherweise mit einer SCR-Anlage oder Software eine Nachrüstung auf Euro 6 vornehmen. Ob die Grenzwerte dann unter Realbedingungen auch tatsächlich eingehalten werden, darf aufgrund jüngster Erfahrungen mit dem „VW-Dieselgate“ aber durchaus kritisch hinterfragt werden.

Insgesamt ist klar: Die Zukunft gehört der Elektromobilität. Benzinmotoren sind die Überbrückungstechnologie, bis E-Autos in der breiten Masse praxistauglich einsetzbar sind. Diesel hingegen droht wesentlich früher das Aus.

Kommt die blaue Plakette oder nicht?

Die Bundesumweltministerin hatte bereits vor einiger Zeit die Einführung einer blauen Plakette vorgeschlagen, welche nur Dieselfahrzeuge mit Abgasnorm Euro 6 erhalten sollen. Alle anderen Selbstzünder sollten damit aus entsprechenden Umweltzonen ausgesperrt werden. Widerstand kam jedoch aus dem Bundesverkehrsministerium, weshalb die Pläne aktuell auf Eis liegen. Der Deutsche Städtetag befürwortet hingegen die Einführung. Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann macht sich ebenfalls für die blaue Plakette auf Bundesebene stark. Allerdings soll diese aus seiner Sicht frühestens ab 2020 eingeführt werden. Zu diesem Zeitpunkt würden mindestens 80 Prozent aller betroffenen Fahrzeuge die geforderten Normen erfüllen.

Vor der Bundestagswahl wird sich die aktuelle Regierung sicherlich nicht mehr mit dem unbeliebten Thema befassen. Danach wird vieles davon abhängen, welche Parteien das Sagen haben. Bei einer grünen Regierungsbeteiligung kann beispielsweise davon ausgegangen werden, dass das Thema „blaue Plakette“ wieder Fahrt aufnimmt.

Fazit

Unbestritten muss die Luftqualität in deutschen Städten dringend verbessert werden, um Mensch und Umwelt zu schützen. Ein Diesel-Fahrverbot bestraft jedoch in erster Linie die Autofahrer, welche daran geglaubt haben, mit dem Kauf eines modernen Dieselfahrzeugs hohe Umweltstandards einzuhalten. Sie müssten letztlich die Versäumnisse der Autoindustrie und der Bundesregierung ausbaden. Viel früher hätten strengere Kontrollen erfolgen und umweltfreundliche Technologien gefördert werden müssen. Nun drohen Wertverluste und empfindliche Einschnitte in die persönliche Bewegungsfreiheit. Es wäre deshalb nur fair von den Verantwortlichen, ein Diesel-Verbot allenfalls als letztes Mittel zu betrachten, und vorher sämtliche andere Möglichkeiten zur Emissionsreduzierung auszureizen.

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