Elektromobilität in Deutschland: Fazit nach einem Jahr E-Kennzeichen

Von Elektromobilität ist nach einem Jahr nicht viel zu sehen

Was hat sich getan nach einem Jahr E-Kennzeichen

Seit September 2015 können Halter von Elektro- und bestimmten Plug-In-Hybrid-Fahrzeugen das neue E-Kennzeichen beantragen. Sie erhalten hierdurch in verschiedenen Gebieten theoretisch Sonderrechte wie die Nutzung von Busspuren oder kostenfreies Parken. Für viele Zulassungsstellen ist ein Antrag aufgrund seiner Seltenheit jedoch immer noch äußerst exotisch. Im Straßenverkehr sind die Kennzeichenschilder mit dem ergänzten „E“ ebenfalls sehr selten anzutreffen. Hat die Einführung der neuen Zulassungsart die Elektromobilität in Deutschland wirklich vorangebracht und wo stehen wir bei diesem Thema insgesamt? Wir ziehen nach gut einem Jahr Bilanz.

Ziele der Politik und die harte Realität

Bis 2020 sollen sich 1 Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen bewegen – so zumindest das Ziel der Bundesregierung. Verschiedene Anreize im Verkehr wie Sonderrechte, Kaufprämien und Steuerbefreiungen sollen die bisher minimalen Zulassungszahlen steigern. Zwar verzeichnen Elektroautos und Fahrzeuge mit hybriden Antrieben einen Zuwachs, im Vergleich zur Gesamtzahl aller Pkw in Deutschland (ca. 45 Millionen Fahrzeuge) ist der Anteil hingegen immer noch äußerst gering. Betrachten wir beispielsweise das erste Halbjahr 2016, so waren 1,2 Prozent der Neuzulassungen (20.635 Pkw) Hybridfahrzeuge, 0,3 Prozent (4.357) reine Elektroautos. (Quelle: ecomento.tv). Insgesamt befinden sich nun etwa 40.000 Pkw dieser Antriebsarten im Bestand.

Die seit Juli 2016 bestehende Kaufprämie ändert daran wenig, da sie bisher kaum abgerufen wurde. Im ersten Monat wurden rund 1.800 Anträge gestellt. Außerdem ist die Reichweite der Prämie in Höhe von 4.000 Euro für reine E-Autos und von 3.000 Euro für Plug-in-Hybride begrenzt. Sie wird für maximal 300.000 bis 400.000 Fahrzeuge ausreichen.

Bis Anfang Dezember 2015 wurden ferner 2.772 Fahrzeuge bundesweit mit dem neu eingeführten E-Kennzeichen ausgestattet (Quelle: Kraftfahrtbundesamt). Bislang nutzen Kommunen die Möglichkeiten, Sonderrechte für kostenloses Parken oder die Nutzung von Busspuren einzuräumen, kaum. Dementsprechend lohnt sich der Aufwand für den Umstieg auf die neuen Kennzeichenschilder für die meisten Halter noch nicht.

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Gründe für die geringe Nachfrage

Woran liegt es, dass die Nachfrage nach alternativen Antrieben trotz politischer Anreize nicht stärker steigt? Spitzfindig könnte man es wie folgt zusammenfassen: Unsere Bundesregierung fördert eine Technologie, die bis dato in weiten Teilen nicht praxistauglich ist. Die erste Problematik besteht in der lückenhaften Ladeinfrastruktur. Insgesamt sind derzeit in Deutschland nur rund 5.800 Ladestationen verfügbar, die sich insbesondere in Großstädten befinden. Das Zurücklegen weiterer Strecken ist jedoch nicht nur aufgrund dieser Tatsache Zukunftsmusik. Eine weitere Schwachstelle ist die geringe Reichweite – kaum ein Elektroauto schafft derzeit mehr als 200 km, ohne dass eine Aufladung der Akkus erfolgen muss. Lediglich die kostspieligen Modelle des US-Herstellers Tesla stechen mit maximalen Fahrstrecken um die 500 km deutlich hervor. Spannend dürfte in diesem Zusammenhang die angekündigte Markteinführung eines „Volks-Teslas“ sein, der in der Anschaffung bei umgerechnet rund 32.000 Euro liegen soll.

Der Preisunterschied zwischen Verbrennern und E-Autos ist hingegen kein objektiver Hinderungsgrund mehr für eine Anschaffung. Bezieht man die staatliche Förderung in die Betrachtung ein, sind E-Autos der Kompaktklasse nur noch rund 3 Prozent teurer als die Benzin- oder Dieselvariante.

Hersteller im Zugzwang – welche Entwicklungen zur Elektromobilität erwarten uns?

Elektromobilität war bis vor Kurzem kaum ein ernst genommenes Thema bei deutschen Autobauern. Die wenigen verfügbaren Modelle hatten eher symbolischen Charakter – viel zu profitabel war und ist das Geschäft mit leistungsstarken und gleichzeitig effizienten Benzin- und Dieselfahrzeugen für die Industrie. Indes zeigte Tesla erfolgreich, wie die Herangehensweise an die Elektromobilität aussehen muss. Für viele Menschen ist der US-Autobauer mittlerweile Synonym für leistungsfähige und durchdachte E-Autos.

Ein Vorreiter der Elektromobilität, das Model S von Tesla

Das Model S von Tesla – Elektromobilität at its best

Für die deutsche Automobilwirtschaft ist es höchste Zeit, diese Defizite aufzuholen. Es geht um nicht weniger als die Zukunftsfähigkeit und somit um den Fortbestand der heimischen Traditionskonzerne. BMW plant offensichtlich, Modelle bestehender Baureihen zukünftig verstärkt mit Elektroantrieb anzubieten. Ein neuer Akku mit einer um rund 50 % gesteigerten Reichweite soll den Absatz des i3 steigern, der bislang maximal 200 km weit kommt.

Volkswagen-Chef Matthias Müller kündigte an, im Jahr 2020 dreißig Elektro-Modelle anbieten zu wollen, deren Reichweite 500 bis 600 km betragen soll. Aktuell wird in Wolfsburg außerdem an einem Schnelllade-Projekt gearbeitet. Eine neue Technologie soll es ermöglichen, in 15 Minuten 80 Prozent der Akkus zu laden.

Ähnliche Absichten sind aus dem Hause Daimler zu vernehmen – bis 2020 möchte BMWs Konkurrent jährlich eine sechsstellige Zahl an E-Autos absetzen, welche voraussichtlich unter der Bezeichnung EQ auf den Markt kommen werden. Bereits auf der diesjährigen Automesse in Paris wird der Hersteller sein erstes Elektro-SUV vorstellen. Die Reichweite des Autos soll etwa 500 Kilometer betragen und reicht damit an die Vorgängerversion des Tesla Model S heran.

Pilotprojekte und Technologietrends

In Sachsen-Anhalt startete kürzlich die Aktion „eFlotte“, in deren Rahmen die Praxistauglichkeit von E-Autos unter Beweis gestellt werden soll. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen sowie Kommunen werden dazu eingeladen, 12 Tage lang kostenlos Elektrofahrzeuge zu nutzen. Insgesamt soll das Projekt Vorbehalte im Hinblick auf die Reichweite und andere technische Fragen zur Elektromobilität abbauen. Eine ähnliche Aktion fand in Hessen statt, wo 50 Städte und Gemeinden Elektroautos zum Testen erhielten. Autohersteller wie Audi, BWM, Kia und sogar Tesla stellten die Fahrzeuge zur Verfügung.

Interessant ist ein Forschungsprojekt der TU Braunschweig, das sich mit dem kabellosen Aufladen von E-Autos beschäftigt. Das Zukunftsbild: Ein kurzer Stopp an der Ampel, schon ist der Akku geladen. Zwar wird es Jahre dauern, bis diese Technologie zum Einsatz kommt, ihre Praxistauglichkeit ist jedoch längst bewiesen. In Braunschweig werden bereits seit 2014 Elektrobusse über Induktionsfelder kontaktlos an Haltestellen geladen. Testreihen mit Taxis sollen folgen.

Wie steht die Bevölkerung zur Elektromobilität?

Die Deutschen stehen der E-Mobilität mehrheitlich kritisch gegenüber. Umfragen zeigen jedoch, dass Faktoren wie Reichweite, Ladedauer und Höchstgeschwindigkeit nicht die alleinigen Einflussgrößen bei der Akzeptanz in der Bevölkerung sind. Unsicherheiten bestehen besonders im Hinblick auf die Betriebskosten und Umweltauswirkungen. Menschen, die an E-Autos interessiert sind, ist vor allem wichtig, wie energiesparend und umweltfreundlich die Fahrzeuge tatsächlich sind. Außerdem ist vielen nicht bekannt, dass E-Autos durchaus positive Fahreigenschaften und Komfort bieten. Die Akzeptanz könnte gesteigert werden, indem Vorgänge wie der Ladeprozess oder die Routenplanung technisch so gestaltet werden, dass sie möglichst unkompliziert und mit wenig Aufwand erledigt werden können. Weiterhin müsste noch transparenter kommuniziert werden, wie sich die Energie- bzw. Ökobilanz der Modelle in der Realität darstellt.

Wie geht die Entwicklung in den kommenden Jahren weiter?

Die E-Mobilität wird nach Ansicht von Experten in den kommenden Jahren durchaus Fahrt aufnehmen. Laut Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers (PwC) könnten bis 2020 zumindest 500.000 Elektroautos und Hybridfahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sein. Flankierende Maßnahmen der Bundesregierung, wie eine Verlängerung der Steuerbefreiung auf 10 Jahre und die steuerfreie Aufladung von privaten E-Autos beim Arbeitgeber, befinden sich im Gespräch. Der entscheidende Einfluss geht jedoch von der Leistungsfähigkeit der neuen Modelle aus, die bis 2020 auf den Markt kommen werden. Ob wir künftig mehr E-Kennzeichen im Alltag beobachten können, hängt zudem vom Ausbau des E-Tankstellennetzes und der Verfügbarkeit von Sonderrechten ab.

Zuletzt bleibt natürlich die kritische Betrachtung im Sinne der Ökobilanz. Noch ist Individualverkehr – auch im E-Auto – deutlich umweltschädlicher als die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Erst wenn die Energie für die Akkus zum Großteil aus erneuerbaren Energien stammt, ist die Förderung der Elektromobilität auch unter Umweltgesichtspunkten vorteilhaft und sinnvoll. Norwegen macht es vor: Bereits im Jahr 2015 betrug dort der Elektro-Anteil sagenhafte 22 Prozent (Deutschland: 0,7 Prozent), die wichtigste Stromquelle ist die Wasserkraft. Ab 2025 sollen in dem skandinavischen Land ausschließlich emissionsfreie Autos verkauft werden dürfen.

Welche Meinung haben Sie zur Elektromobilität? Oder haben Sie noch eine Frage zum Thema? Diskutieren Sie mit uns!

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